Ultratrails: persönliche Erfahrungen und Tipps für Neulinge.
Trailrunning boomt – vor allem die Ultradistanzen, also alles, was über den Marathon (42,195 km) hinausgeht. Immer mehr ehrgeizige Sportler und Sportlerinnen stellen sich der Herausforderung und entdecken nicht nur viele Landschaften, sondern auch sich selbst. Über diese Faszination haben wir mit SCARPA Athlet Philipp Ausserhofer gesprochen.
Wie bist du zum Trailrunning gekommen?
Ich bin ja im Ahrntal (Südtirol) aufgewachsen, da lernt man das Bewegen in den Bergen von klein auf. Ich war auch immer schon mit der Familie bergsteigen. Eigentlich habe ich mit Fußball und Skifahren angefangen, weil meine Freunde auch alle Fußballer waren. Aber es war damals schon so, dass ich vor einem Match noch auf einen Berg gegangen bin. Was meinem Fußballtrainer natürlich nicht so getaugt hat. Also war für mich klar, dass ich lieber meine Zeit mit meiner Leidenschaft, den Bergen, verbringe. Zu Wettkämpfen habe ich mich später mehr überreden lassen, bzw. bin da eher so hineingerutscht.
Hast du noch Erinnerungen an deinen ersten Ultratrail?
Ja natürlich. Das war im Pitztal 2020. 100km und ich bin völlig naiv am Start gestanden. Es ist mir durchgehend schlecht gegangen und ich habe mich als Fünfter ins Ziel geschleppt. Ich habe aber viel gelernt. Meinen zweiten Ultratrail (Innsbruck 85km) habe ich dann gleich gewonnen. Das war ein sehr kurioses Rennen während der Corona-Zeit. Ich bin um sieben Uhr ins Ziel gelaufen und es war einfach keiner da. Da habe ich gemerkt: „Das musst du für dich tun, sonst machst du das nicht lange.“
Was fasziniert dich bei Ultratrails? Warum muss es so lange sein?
Ich habe mit 42km einfach noch nicht das erlebt, was ich erleben will. Ultratrails sind für mich die Metaphern fürs Leben. Es gibt Höhen und Tiefen, die Täler und Gipfel. Was man da alles erlebt bei einem Ultratrail. Da nehme ich so viel mit fürs Leben. Es macht mich viel entspannter, wenn ich weiß, wie schlecht es mir gehen kann und ich weiß, dass ich damit umgehen kann. Wenn ich beim Ultratrail nicht aufgebe und durch die 30 Minuten oder vielleicht auch drei Stunden durchbeiße, weiß ich, dass es wieder besser wird. Umgekehrt natürlich genau so, man muss bescheiden bleiben, wenn es mal super läuft, denn es kann ganz schnell wieder in die andere Richtung gehen. Das Ultralaufen hat mir gezeigt, in der Mitte zu bleiben. Nicht falsch verstehen, man braucht die Höhen und Tiefen, mich kickt das regelmäßig! Wichtig ist nur zu verstehen, dass es immer auch in die andere Richtung gehen kann.
Wie wichtig ist bei so langen Distanzen bei Ultratrails der Kopf?
Mein Sturschädel hilft mir da sehr! (lacht) Bei einem Wettbewerb reizt mich die mentale Komponente viel mehr als die Körperliche. Ich kann mich auch über einen Marathon komplett auspowern oder nach 20km völlig erschöpft sein. Aber der Kopf wird bei den langen Distanzen viel wichtiger. Man lernt sich selbst extrem gut kennen. Eigentlich sollte jeder mal einen Ultralauf machen, da würden sich viele Sachen relativieren.
Wie sehr ist man als Ultraläufer ein Einzelgänger?
Bei einem Ultratrail-Wettkampf geht es nicht ohne mein Team. Dem vertraue ich zu 100%, denn es gibt vor allem in Rennen Situationen, wo ich nicht mehr fähig bin, eigene Entscheidungen zu treffen. Genauso kann das Team auch pushen, wie z.B. bei der WM 2023 in Innsbruck, wo wir mit dem italienischen Team um die Bronzemedaille gekämpft haben. * Was da für Kräfte frei werden können. Ich genieße aber auch mit mir allein zu sein. Wenn ich den ganzen Tag am Berg bin, kann ich selbst entscheiden, auf welchen Gipfel wie schnell ich gehen möchte und wann ich Pausen machen möchte.
Ich möchte in Zukunft Ultratrails laufen. Was ist beim Training besonders zu beachten und welche Trainingseinheit darf ich auf keinen Fall verpassen?
Die Einheit, sich mental darauf vorzubereiten. Wenn es mal schlecht läuft, dranzubleiben. Aufgeben ist immer die leichteste Option. Ich habe mich beim Eiger Ultra Trail (100km) neun Stunden lang übergeben. Trotzdem bin ich ins Ziel gekommen. Am Ende ist man viel stolzer darauf, als sich in Ausreden zu verstecken. Das ist ja auch das Reizvolle: In schweren Momenten einen Weg zu finden. Sei das ein Mantra, ein Grund, ein Gedanke. Denn Sinn macht das Ganze nicht. Doch die Frage wird früher oder später kommen. (lacht). Dass du natürlich auch körperlich fit sein musst, ist ja klar!
Die Saison 2024 steht vor der Tür – was sind deine geplanten Ultratrail-Highlights?
Ich habe im Herbst in Nizza (3. Platz über die 100km) gesehen, dass ich mit der Weltspitze mitlaufen kann. Das hat mich richtig gekickt und ich habe heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Deswegen bin ich topmotiviert auch heuer wieder voll anzugreifen. Zuerst wartet mit dem Marathon du Mont-Blanc 90km das erste Chamonix-Highlight. Und dann wartet natürlich noch der UTMB (170km Ultra-Trail du Mont-Blanc). Mit dem habe ich noch eine Rechnung offen.
*Philipp Ausserhofer holte bei der WM 2023 in Innsbruck mit Italien die Team-Bronzemedaille im Long Distance Bewerb.
Fotos: roastmedia, Jose Miguel Muñoz