Der erste 8000er - Der Traum vom Bergsteigen
Eigentlich hätte der Plan ganz anders ausschauen sollen. Statt Nepal hätte es in Kirgistan das Tian-Shan-Gebirge werden sollen. Doch es kam anders und ein anderer Traum rückte wieder in den Vordergrund: der Traum von der Besteigung eines 8000ers. Nach einem erfolglosen Versuch, den Gasherbrum II zu bezwingen, waren Marlies und Andi bereit, es nochmal zu wagen. Diesmal sollte es der Manaslu werden – ein, laut den Zwei, nicht „allzu“ hoher und „allzu“ schwieriger 8000er. Das ist wohl Ansichtssache... Das Ziel für die Zwei war klar: Es wird ein Gipfelversuch ohne Flaschensauerstoff und ohne Sherpas.
Ende August ist es dann so weit. Die Abreise steht bevor. Mit den Vorbereitungen tauchen die ersten Ängste und Unsicherheiten auf. Wir wird es Marlies und Andi in der dünnen Luft gehen? Werden sie gut damit umgehen können? Wird ihr Körper das mitmachen? Sie konnten zwar bereits Erfahrungen auf 7400m machen, jedoch erfordert der Manaslu noch zusätzliche 700 Höhenmeter. „Wir müssen gut auf unseren Körper hören. Ohne zusätzlichen Sauerstoff ist das natürlich noch wichtiger“, weiß Marlies.
Kathmandu. Der erste Stopp. Obwohl sie vor sieben Jahren schon mal hier waren, sind sie erneut überwältigt von der Großstadt. Der Lärm, der Staub - daran muss man sich erstmal wieder gewöhnen. Doch viel Aufmerksamkeit geben Marlies und Andi dem Großstadtgetümmel nicht, vielmehr drehen sich ihre Gedanken um ihr bevorstehendes Abenteuer und um ihren Traum, den sie sich bald zu verwirklichen erhoffen.
Nach einer anstrengenden Fahrt zum Ausgangspunkt der Tour mit unendlichen Schlaglöchern und Flussüberquerungen geht es nach 16 Stunden im Jeep endlich los Richtung Basislager. Der Rest des Weges wird zu Fuß zurückgelegt. Marlies und Andi ist es wichtig, die Schönheit der Landschaft und die Lebensweise der Sherpas hautnah zu erleben. Dankbarkeit und Demut überkommen sie: „Die Menschen haben so wenig, aber besitzen so viel mehr als wir: eine tiefe Zufriedenheit und Herzlichkeit.“
Marlies hat sich schnell an die Höhe gewöhnt. Andi braucht ein wenig länger und hat in den ersten Nächten mit Kopfschmerzen zu kämpfen. Wegen des schlechten Wetters muss der weitere Aufstieg um eine Nacht nach hinten verschoben werden, was für Andis Akklimatisation ganz gelegen kommt. Die zusätzliche Zeit nutzen die Zwei, um das Zelt auszuschaufeln, (fast durchgehend) Schnee zu schmelzen oder um ein bisschen im Schlafsack zu dösen. Wenn sie doch mal ihre Zeit vertreiben müssen, spielen sie Karten oder hören einen Podcast oder Musik.
Das Wetter wird besser und Marlies und Andi können ins Camp 2 aufsteigen, wo sie eine Nacht verbringen, um dann wieder zurück ins Basislager zu kehren. Marlies und Andi sind zuversichtlich: Die erste Akklimatisationsrunde hat super funktioniert.
Nach zwei Akklimatisationsrunden mit zwei Aufstiegen und einer Nacht auf 6850m, kommt im Basislager nach dem langen Zustieg bereits die erste große Herausforderung auf sie zu: Eine riesige Lawine zwischen Lager 4 und Lager 3 forderte mehrere Todesopfer und Verletzte. Der Schock sitzt tief. Die Vorstellung, dass die Zelte und Ausrüstung für die Gipfelbesteigung weg oder zerstört sein könnten, ist nun unwichtig angesichts der Tragödie. Marlies und Andi merken: Sie werden von der harten Realität des Bergsteigens eingeholt.
Die nächste beunruhigende Nachricht lässt nicht lange auf sich warten. Nach einem weiteren Aufstieg ins Camp 2, merken sie, dass ihr Zelt nicht mehr dort steht, wo es eigentlich sein sollte. Die großen Schneemassen haben es vergraben. Glücklicherweise kann das Zelt nach intensiver Suche in 1,5 Metern Tiefe ausgegraben werden. Und das sogar unversehrt. Das winzige Zelt ist trotzdem eine Herausforderung an sich: Es „schneit“ bei jeder Bewegung, das Wasser kondensiert und bei einer Breite von einem Meter spürt man jede Bewegung des Anderen. Schlafen kann man das wohl kaum nennen.
Am nächsten Tag geht es bis ins Lager 3 auf 6900 Meter. An ihren Füßen werden sie bis hierhin von unserem Phantom Tech begleitet. „Das geht natürlich nur bei schönem Wetter, aber sie sind so angenehm leicht! Wir waren richtig froh, sie dabei zu haben.“ Von hier wird auf den Phantom 8000 gewechselt.
In Camp 3 müssen Marlies und Andi der bitteren Wahrheit ins Auge schauen: Die Lawine verschonte auch ihre Ausrüstung nicht. Von Zelt und Ausrüstung fehlt jede Spur, alles wurde verschüttet. Nun heißt es: Suchen, suchen, suchen. Mit Stöcken wird das Camp intensiv abgesucht, doch leider erfolglos. Die Lawine hat Marlies‘ und Andis Zeug verschluckt. Glücklicherweise finden sie für eine Nacht ein freies Zelt auf 6600 Meter. Da jedoch auch die beiden Daunenanzüge für den Gipfelanstieg von der Lawine verschluckt wurden, müssen auch zwei von diesen in kurzer Zeit aufgetrieben werden. Ist das überhaupt möglich?
Tatsächlich. Marlies und Andi schaffen das Unmögliche und können sich zwei Daunenanzüge ausleihen. Die Größe der geliehenen Anzüge ist dabei nebensächlich. Hauptsache warm! Um 20:30 geht es nun auf zum Gipfel – ohne vorherigen Schlaf. Die Aussichten auf einen Gipfelerfolg sind somit alles andere als gut, doch wagen wollen sie es trotzdem.
Auf 7500m erfolgt die große Ernüchterung. Der Traum, gemeinsam am Gipfel zu stehen, nimmt sein Ende. Die Sonne geht auf und der Tag scheint vielversprechend zu sein. Doch Marlies ist erschöpft. Selbst die Sonnenstrahlen können Marlies nicht genug Energie zurückgeben, um die Strapazen der Nacht, des Schlafentzugs und der Kälte auszugleichen. Nach langem Überlegen beschließt Marlies umzudrehen. Enttäuscht wie nie zuvor, doch mit dem Wissen, das Richtige zu tun, weiß sie, dass sie noch genug Kraft für den Abstieg hat.
“Andi, ich dreh um... aber du kannst es gerne alleine versuchen”, die Enttäuschung ist groß. Ein kurzer, intensiver Moment, beide haben Tränen in den Augen. Ja, Andi wird es versuchen. Er fühlt sich noch gut.
Während Marlies absteigt und mit jedem Sonnenstrahl und jedem Schritt nach unten die Lebensgeister zurückkehren, wird Andi immer langsamer. Obwohl er einen Schritt vor den anderen setzt, fühlt es sich nicht so an, als würde er vorwärtskommen. Langeweile überkommt ihn. Andi weiß nicht, woher er die Motivation nimmt, weiterzugehen. Nun gilt es, noch den letzten Aufschwung vor dem Gipfel zu bezwingen. „So, Andi, jetzt machst du das noch fertig!“, murmelt er vor sich hin. Übermüdet und völlig erschöpft erreicht Andi den Gipfel. Statt einer unglaublichen Aussicht erwartet ihn jedoch die bittere Realität: Das Wetter wird wechselhaft, Andi steht im Nebel. Die Gipfelfreude hält sich in Grenzen. Doch Andi ist froh, dass der Aufstieg endlich vorbei ist.
Nach zwei Minuten auf dem Gipfel, macht sich Andi zusammen mit zwei Iranern auf dem Weg nach unten. Im kompletten White-Out ist das nicht das leichteste Unterfangen.
Nach einer Nacht in einer kleinen Schneehöhle und einem kaputten Zelt, geht es mit dem lawinengefährlichen Abstieg am nächsten Tag in den Endspurt.
Der Abstieg ist erfolgreich: Andi und Marlies können sich im Basecamp nach nicht enden wollenden Stunden Getrenntsein wieder in die Arme schließen. Was sie in dem Moment fühlen? Unendliche Dankbarkeit.
Zum Schluss haben wir Marlies und Andi gefragt, was ihre persönlichen Highlights der Expedition waren...
Marlies: Als es wirklich Andi war, der abends zwar gezeichnet von den Strapazen, aber gesund zurück zu mir ins Basecamp kam, war das das größte Highlight für mich. Ich machte mir schon unendliche Sorgen. Am Ende war von meiner riesengroßen Enttäuschung nichts mehr übrig - da stand nur noch die Dankbarkeit für diese gemeinsame Expedition, dieses Land, diese Leute, diese Erlebnisse, die mich für mein Leben prägen.
Andi: Ich bin einfach nur dankbar, gemeinsam und gesund wieder zurück zu sein. Das Highlight ist sicher nicht der Gipfel, sondern die ganze Reise. Nepal erdet einfach so, hält so viele Überraschungen bereit. Und wir haben unsere Sache gut gemacht!
Vortragstour
Du möchtest hautnah dabei sein, wenn Marlies und Andi von ihrer abenteuerlichen Expedition auf den Manaslu erzählen? Dann ist die Vortragstour im März und April genau das Richtige für dich. Ein Muss für alle, die sich für Bergsteigen, Abenteuer und extreme Herausforderungen begeistern. Wir haben dir hier alle Termine zusammengefasst:
Termine:
Do, 2. März Waizenkirchen (OÖ)
Do, 9. März Liezen (Stmk) & Peter Habeler
So, 12. März Freiburg (D)
Mi, 15. März Stans (NW), Schweiz
Do, 23. März Brixlegg (T)
Fr, 24. März Kirchdorf (OÖ)
Sa, 25. März Radenthein (K)
Mi, 29. März Wolfsberg (K)
Do, 30. März Hartberg (Stmk)
Di, 11. April Leipzig (D)
Do, 13. April Mondsee (OÖ)
Fr, 14. April Steinbach/Steyr (OÖ)
Do, 20. April Linz (OÖ)
Fr, 21. April Königswiesen (OÖ)
So, 23. April Wieselburg (NÖ)
Mo, 24. April Wien
Do, 27. April Hainfeld (NÖ)
Alle Infos zur Tour: www.hochzwei.media/manaslu-vortrag
Fotos: Hochzweimedia